Gottesdienst mit Kindern

Leben – trotz aller Gewalt

Leben – trotz aller Gewalt

Leben – trotz aller Gewalt

# Monatliche Andachten

Leben – trotz aller Gewalt

von Hanno Paul, Pfarrer am Lukas-Krankenhaus Bünde

Sie kennen wahrscheinlich die Sintflutgeschichte. Da gereut es Gott angesichts all der menschlichen Bosheit, die er sieht, dass er überhaupt die Welt mit all ihren Lebenswesen geschaffen hat. So lässt er in einer Radikalkur die Erde überfluten und tötet dadurch fast alle Menschen und Tiere. Nur acht Menschen und ein Paar jeder Art bewahrt er in der Arche, um einen reinen Neuanfang zu ermöglichen.

So weit, so klar und radikal. Doch am Ende der Geschichte steht ein Wort, das das ganze Geschehen umdreht: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ (1. Mose 8,21f)

Ich begreife die ersten biblischen Kapitel nicht als wörtliche Chronik des Weltgeschehens, sondern als Versuch von Menschen, aus ihrem Glauben heraus die Welt zu verstehen. So gelesen machen sie deutlich, dass wir das Böse nicht aus dieser Welt herausbekommen werden, sondern immer wieder neu Wege finden müssen, damit angemessen umzugehen.

Und das gilt auch für sexualisierte Gewalt. Vor gut einem Jahr ist die Forum-Studie herausgekommen. Sie hat noch einmal aufgezeigt, dass es auch in der evangelischen Kirche viele Fälle sexualisierter Gewalt gibt und dass diese bisher oft zu wenig tut, sie zu verhindern oder aufzuklären.

Das ist schrecklich. Zugleich wundert es mich nicht. Je nach Statistik ist mindestens jede 3. Frau und jeder 6. Mann in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen. Und natürlich ist auch unsere Kirche nicht frei davon. Das an sich macht sie aus meiner Sicht noch nicht unglaubwürdig, genauso wenig wie, dass es Pfarrer gegeben hat, die zu Mördern geworden sind.

Nach meiner Überzeugung geht es um Folgendes: Wir müssen begreifen, dass alle Formen von Gewalt (und da ist die sexualisierte eine der schlimmsten) in vielen Menschen lauern (auch in uns selbst und unseren Freundinnen und Freunden). Als Dringendstes müssen wir versuchen, zukünftige Fälle nach Möglichkeit zu verhindern. Dazu müssen wir schnell auf alle Anzeichen von Gewalt in unserer Kirche reagieren. Zudem müssen wir wahrnehmen, wo Strukturen in unserer Kirche Gewalt und ihre Vertuschung fördern und dann das Leben in unserer Kirche so gestalten, dass die erkannten Risiken reduziert werden, ohne dass wir die Lebendigkeit menschlicher Begegnung aufgeben.

Schließlich müssen wir den Betroffenen zuhören, ihr Leid anerkennen und ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten einen Ausgleich zukommen lassen.

Unsere Kirche und unser Kirchenkreis haben sich dazu auf den Weg gemacht. Das Thema wird in den Gemeinden angesprochen, es werden Schutzkonzepte entwickelt und es sind Ansprechpersonen benannt.

Das ist nur ein Anfang. Aber ich habe das Vertrauen, dass wir auf diesem Weg Möglichkeiten finden, trotz aller Verführung zur Gewalt auch als Kirche uns dem anzunähern, was Gott für unsere Erde will: nämlich Liebe und Mitmenschlichkeit.

Dass dieser Weg sowohl komplex als auch lohnend ist, davon erzählt die Bibel in all den vielen Kapiteln, die der Sintflutgeschichte folgen.

Mehr Informationen dazu auch unter kirchenkreis-herford.de/schutz.

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