Dankbar für die Fülle
von Dr. Kai-Uwe Spanhofer, Pfarrer in Hiddenhausen
Wir stehen im Kreis um meinem Apfelbaum, der in diesem Jahr besonders viele Früchte trägt. Die Kinder des Kindergartens schauen die großen Äpfel begeistert an und jeder darf sich einen Apfel aussuchen. Nacheinander pflücken wir sie vom Baum und sie wandern in die kleinen ausgestreckten Hände. Am Ende nehmen alle Kinder und Erzieherinnen einen Apfel mit in die Kirche, wo wir unsere Andacht feiern.
Ich staune noch immer über die Fülle der Äpfel, die an meinen beiden Apfelbäumen hängt. Gepflanzt habe ich die beiden Bäume nicht. Das tat mein Vorgänger im Amt. Beschnitten wurden die Bäume im Frühjahr und seitdem wachsen und gedeihen sie. Ansonsten kann ich selbst nichts dazu beitragen, dass sie so viel Frucht tragen. Diese reiche Ernte verdanke ich Gott allein, der für reichlich Regen sorgte und am Ende auch noch die Sonne scheinen ließ. Die Obstbauern sind in diesem Jahr mit ihrer Ernte zufrieden. Das gilt leider nicht für jeden Landwirt und auch nicht für viele Kunden, die in den Geschäften kräftige Preiserhöhungen zu bezahlen haben.
Die Zufriedenheit in unserem Land nimmt ab. Es wird genörgelt und geklagt, schnell über reagiert und an allem soll die Politik schuld sein. Doch so einfach ist es nicht. In einer jüngst im NDR veröffentlichten soziologischen Studie berichtet Martin Schröder, dass die beiden größten Ursachen von Unzufriedenheit, die Einsamkeit und die Arbeitslosigkeit seien. Deshalb empfiehlt er, zwei bis drei gute Freundschaften zu pflegen und sich um andere zu kümmern, die Hilfe gut gebrauchen können. Zufrieden wird man nicht, so Schröder, wenn man sich viel um sich allein kümmert. Zufrieden wird man, wenn man in einem guten Gleichgewicht an sich selbst und an andere denkt.
Was hilft es einem, wenn man die ganze Welt gewinnen würde, fragt Jesus, und nimmt doch Schaden an seiner Seele (Matthäus 16,26). Eine Seele, die innerlich leidet und äußerlich über alles und jeden klagt, kann nicht zufrieden und dankbar sein. Wer jedoch die Fülle der Schöpfung sieht, kann nur staunen und sich freuen. So wie die Kinder, die dankbar mit ihrem Apfel in die Kirche gingen. Zwar gab es während der Andacht den einen oder anderen Apfel, der unfreiwillig aus der Hand fiel und herumkugelte. Doch an der Freude der Kinder änderte das nicht viel. Es gibt auch in unserem Leben große oder kleine Anlässe, über die wir uns freuen können und für die wir dankbar sind: Dankbar für eine tröstende Umarmung, für die Farbenfülle des nahen Herbstes, für manches Gespräch, für zufällige Begegnungen, für die kleinen Hilfen vor Ort.
Ich wünsche Ihnen schöne Herbstwochen, in denen Sie die Fülle der Schöpfung Gottes genießen, auf- und durchatmen können bei ihren Spaziergängen und einfach dankbar ihre Zeit genießen können.
Andachten 2023
Januar | Olaf Reinmuth | „Du bist ein Gott, der mich sieht!“ |
Februar | Carsten Fiefstück | Glocken |
März | Claudia Günther | Verbunden mit dem Leben |
April | Alexandra Hinsel | „Was für eine *-Idee?“ |
Mai | Anke Hülsmeier | „Das war gar keine richtige Osternacht ...“ |
Juni | Hanno Paul | Wer ist die Kirche? |
Juli | Gabriele Steinmeier | Gesten und Glaube |
August | Jutta Hoppe | Sommer, Sonne, Urlaub |
September | Bettina Fachner | Unterbrechung |
Oktober | Kai-Uwe Spanhofer | Dankbar für die Fülle |
November | Michael Heß | „Jesu Sahay“ - Jesus hilft |
Dezember | Manuela Müller-Riepe | Frieden |